15. Asien-Pazifik-Forum Bayern

Unternehmen weiten ihren Blick über China hinaus

Zunehmende Unsicherheiten in China lenken die Aufmerksamkeit stärker auf die ASEAN-Staaten: Eindrücke vom „15. Asien-Pazifik-Forum Bayern“ von Antje Schweinfurth.

Risiko-Management im China-Geschäft und Ausbau der Geschäfte mit anderen Ländern in Südostasien: Das waren thematische Schwerpunkte beim „15. Asien-Pazifik-Forum Bayern“, zu dem die IHK Nürnberg für Mittelfranken am 26. Juli eingeladen hatte. Mit großer Resonanz: 250 Teilnehmer kamen in das „Haus der Wirtschaft“ am Hauptmarkt, um den Vorträgen und Fachforen zu folgen. Außerdem hatte die IHK rund 300 Einzelgespräche organisiert, bei denen sich die Teilnehmer am Kongresstag individuell von Experten der deutschen Auslandshandelskammern (AHKs) über Handels- und Investitionsmöglichkeiten in den einzelnen Ländern beraten lassen konnten. (Eine Bildergalerie finden Sie weiter unten auf dieser Seite.)

Bedeutung der ASEAN-Staaten für die deutsche Wirtschaft

Für die Europäische Union sind die ASEAN-Staaten ein wichtiger Handelspartner. Die zehn Partnerländer des südostasiatischen Wirtschaftsbündnisses (Brunei, Vietnam, Laos, Kambodscha, Thailand, Myanmar, Malaysia, Singapur, Indonesien, Philippinen) stehen zusammengenommen auf Platz 3 des Außenwirtschafts-Rankings – nach China und den USA. Umgekehrt gilt das Gleiche: Auch für den ASEAN-Verbund ist die EU der drittwichtigste Handelspartner.

2021 betrug das Handelsvolumen zwischen der EU und ASEAN knapp 216 Mrd. Euro (2019 erst 93,5 Mrd. Euro). Bislang gibt es aber nur zwei bilaterale Freihandelshandelsabkommen zwischen der EU und den ASEAN-Mitgliedern Vietnam und Singapur, wie IHK-Hauptgeschäftsführer Markus Lötzsch kritisierte. Umgekehrt nutzten die Länder Südostasiens aber ihrerseits das Instrument der Handelsabkommen auf intelligente Weise, um ihre Volkswirtschaften weltweit zu vernetzen und ihre Geschäftschancen zu verbessern.

Der Botschafter der Republik Indonesien in Deutschland, H.E. Arif Havas Oegroseno, verwies auf den großen Markt der ASEAN-Staaten mit ihren insgesamt 666 Mio. Einwohnern (davon 213 Mio. junge Menschen) sowie auf die wirtschaftliche Dynamik, die sich auch in der lebendigen Start-up-Szene widerspiegle. Darunter seien auch rund 60 Start-ups mit einer Marktkapitalisierung von über einer Mrd. US-Dollar. Viele der innovativen jungen Unternehmen seien in der Digitalwirtschaft aktiv.

Breiten Raum nahm beim Asien-Pazifik-Forum auch die Diskussion um hohe bürokratische Hürden ein, die die in der Außenwirtschaft tätigen Betriebe behindern. IHK-Hauptgeschäftsführer Markus Lötzsch nannte u. a. die Umsetzung des Lieferketten-Sorgfaltspflichten-Gesetzes (LKSG) und den wahrscheinlich noch schärferen Lieferketten-Regelungen der EU. Auch beim Wettbewerb um ausländische Fachkräfte sieht Lötzsch Verbesserungsbedarf: „Das Ringen um kluge Köpfe hat längst begonnen und wird zunehmen“, so Lötzsch. Deshalb brauche es eine einladende Willkommenskultur u. a. mit kürzeren Wartezeiten bei der Erteilung von Visa. Unerlässlich sei für Deutschland auch die Entwicklung einer Gesamtstrategie für die Außenwirtschaft.

Markus Wittmann, Ministerialdirigent im Bayerischen Wirtschaftsministerium, empfahl den anwesenden Unternehmensvertretern, die außenwirtschaftlichen Förderprogramme des Freistaats für den Markteinstieg und den Ausbau bestehender Kontakte zu nutzen – insbesondere das Bayerische Messebeteiligungsprogramm, die vom Wirtschaftsministerium organisierten Delegationsreisen und das weltweite Netzwerk der außenwirtschaftlichen Repräsentanzen. Im Jahr 2024 werde die Staatsregierung bei ihren Aktivitäten einen Schwerpunkt auf Asien legen.

China-Experte Eberhard Sandschneider, Partner bei Berlin Global Advisors, ging auf die geopolitischen Veränderungen ein und auf die Diskussion um ein Risiko-Management im Umgang mit China. In diesem Zusammenhang kritisierte er die Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz, die Welt sei multipolar: „Das ist falsch. Die Welt ist bipolar. Die Pole heißen USA und China.“ Innerhalb dieser Pole entstünden vielfältige Zentren, was zu einer „polyzentrischen Bipolarität“ führe. Für die einzelnen Wirtschaftsakteure gehe es um das Überleben zwischen diesen beiden Polen. Eine wichtige Entwicklung sei, dass die Dominanz des Westens zu Ende gehe, was man auch an neuen Allianzen sehe – etwa an dem im Jahr 2020 geschlossenen RCEP-Ankommen (Regional Comprehensive Economic Partnership) zwischen den ASEAN-Staaten mit China, Südkorea, Japan, Australien und Neuseeland, das 2022 in Kraft getreten sei und nun die größte Freihandelszone der Welt darstelle. Die asiatischen Staaten hätten zuvor darauf hingewiesen: „Wenn ihr Westler uns nicht mit an den Tisch setzen lasst, wo Entscheidungen getroffen werden, dann bauen wir unseren eigenen Tisch“.

Man müsse sich zudem klarmachen, dass Asien mehr sei als China, so Sandschneider: „Wir befinden uns in der vierten Welle des Aufstiegs Asiens“ – zunächst Japan in den 70er Jahren, danach die vier Tigerstaaten Hongkong, Taiwan, Südkorea und Singapur, dann China und jetzt die ASEAN-Staaten.

Wichtige Partnerländer und Beschaffungsmärkte in Asien

Die deutschen Unternehmen scheinen sich immer stärker für asiatische Standorte außerhalb Chinas zu interessieren. „Wir stellen mehr qualitativ hochwertige und strategisch langfristige Anfragen fest“, sagte Roland Wein, Executive Director der Deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in Thailand. Das Land sei u. a. attraktiv wegen seiner Lage zwischen Vietnam und Singapur sowie wegen des im Jahr 2022 mit der EU abgeschlossenen Partnerschafts- und Kooperationsabkommens. Nun sollen die Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen folgen. Geschäftschancen für deutsche Unternehmen eröffnen sich laut Wein auch aufgrund der Dekarbonisierungsstrategie der thailändischen Regierung.

Südkorea ist ebenfalls stärker in den Blick deutscher Unternehmen gekommen. „Korea ist seit 2020 der drittstärkste Exportmarkt Deutschlands“, sagte Martin Henkelmann, Chef der AHK Korea. Viele deutsche Unternehmen betrachteten Südkorea in Asien als zweites Standbein nach China. Besondere Geschäftschancen sieht Henkelmann auf den Feldern Energietechnik (vor allem erneuerbare Energien), Pharma und Chemie, aber auch Konsumartikel.

Die wirtschaftlichen Probleme der Volksrepublik China infolge ihrer Null-Covid-Politik tragen dazu bei, dass sich die Aufmerksamkeit deutscher Unternehmen nun stärker auf andere asiatische Länder weitet. Nach Worten von Daniel Marek, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Ostasiatischen Vereins (OAV) in Hamburg, sei bisher der Blick auf andere Länder der Region vielfach verstellt gewesen. Neben den zehn ASEAN-Ländern sei auch Indien eine Option, um weniger abhängiger von China zu werden, wie auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Juli bei seinem Besuch in Indien betont habe.

Die Länder Südastasiens bekommen zunehmende Bedeutung als Beschaffungsmärkte, weil viele Unternehmen ihre Einkäufe diversifizieren, statt einseitig auf China zusetzen. Dies berichtete Olaf Holzgrefe, Head of International & Affairs des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) aus Eschborn. Die zehn ASEAN-Länder könnten mit Versorgungssicherheit sowie mit Lohn- und Preisvorteilen punkten. Länder wie beispielsweise Indonesien setzten auf Digitalisierung und könnten selbst für deutsche Unternehmen eine Vorbildfunktion beim digitalen Einkauf haben.

Praxisbeispiele – Investitionen von Unternehmen in Südostasien

Die aktuelle Debatte über die Diversifizierung des Asien-Geschäfts komme zu spät, sagte Stefan Heckel, Project Manager bei der Leonhard Kurz Stiftung & Co. KG aus Fürth: „Die kleinen und mittleren Unternehmen haben sich bereits in Richtung Asien diversifiziert.“ Leonhard Kurz ist ein weltweit führender Experte im Bereich der Dünnschichttechnologie mit mehr als 5 500 Mitarbeitern an 30 Standorten weltweit. Gefertigt wird in Europa, Asien und den USA nach einheitlichen Qualitäts- und Umweltstandards. Nachdem man am Standort China auf Kapazitätsgrenzen gestoßen ist, hat es schon 2018 Überlegungen für weitere Standorte gegeben. Die Entscheidung für einen zweiten Standort ist dann auf Vietnam gefallen – zum einen wegen der Nähe zu China und zum anderen wegen der vergleichbaren Strukturen mit China vor 20 Jahren. 2019 hat sich das Unternehmen verschiedene Orte in Vietnam angesehen: In den größeren bekannten Städten gebe es war eine sehr gute Infrastruktur, aber auch Konkurrenz mit den „Big Playern“ gerade bei der Anwerbung von Fachkräften, sagte Heckel. Deshalb habe man sich für den Standort Bình Dinh entschieden, der in Kürze eröffnet werden soll.

„Es waren eher die geopolitischen Themen während Corona und Kapazitätsgrenzen in China, die zu einer Entscheidung für Südostasien führten, um das Unternehmen abzusichern.“ So beschrieb Maximilian Offermann, Managing Partner bei der BWF Group aus Offingen (Landkreis Günzburg), die Entscheidungsfindung seines Unternehmens. Die Gruppe sieht sich als führender Hersteller von textilen Filtermedien für die industrielle Entstaubung sowie von hochwertigen Kunststoffprodukten, technischen Filzwerkstoffen und Wollfilzen. Von den 16 Standorten des Familienunternehmens sind drei in Asien. Die Entscheidung für den vierten, im Aufbau befindlichen asiatischen Standort sei aus mehreren Gründen auf Thailand gefallen: Man könne dort – etwa im Gegensatz zu Vietnam – Land kaufen. Durch Steuerfreiheiten und Zuschüsse sei es einfacher, Maschinen einzuführen. Außerdem gebe es in dem Land – im Gegensatz zu Deutschland – eine große Offenheit für Investitionen. Ausschlaggebend war auch die Nähe zu den Kunden, denn 70 Prozent der in der Region produzierten Güter verbleiben in China, 30 Prozent im asiatischen Raum.

„Es gibt die Tendenz zur Beschleunigung der Diversifizierung. Diese war aber schon vor der Pandemie ein Thema“, ergänzte Jochen Busch, Managing Partner bei ORCA Industriemontagen GmbH & Co. KG aus Backnang. Das Unternehmen ist seit 2018 mit der ORCA Asia Pacific in Malaysia präsent. Die Auswahl des geeigneten Standorts sei durchaus eine Herausforderung gewesen. Für Malaysia habe man sich u. a. wegen der gut ausgebildeten Bevölkerung mit guten Englischkenntnissen entschieden. Der Standort sei ein reiner Dienstleister für Demontage, Transport und Montage von Maschinen aus der EU in andere Länder, wobei 60 bis 70 Prozent des Geschäftes außerhalb von Malaysia getätigt werden.

„Der Druck wird wachsen. Die Asiaten werden zu Mitbewerbern“, sagte Markus Schatz, Director Global Logistics bei der Grammer AG aus Ursensollen (Landkreis Amberg-Sulzbach). Das Unternehmen, das seit 30 Jahren in China und außerdem in Japan und China präsent ist, stellte am Anfang Fahrersitze für Traktoren her. Heute ist es spezialisiert auf die Entwicklung und Herstellung von Komponenten und Systemen für die Pkw-Innenausstattung sowie von Fahrer- und Passagiersitzen für Offroad-Nutzfahrzeuge, Lkw, Busse und Bahnen. Der wichtigste Faktor bei der Entscheidung für einen Standort ist laut Schatz die Nähe zu den Kunden. Deshalb wurde eine regionale Lieferstruktur innerhalb Asiens aufgebaut und weiterentwickelt. Die Standorte seien aber auch wichtig, um Produktionsausfälle an Grammer-Standorten in anderen Weltregionen auszugleichen. Dies sei möglich angesichts der hochentwickelten Logistik-Infrastruktur in Südostasien. Schatz zeigte sich beeindruckt von dem Weg, den die Länder der Region schon zurückgelegt haben und der sie für Investitionen attraktiv mache: „Reflektieren Sie bei Ihrer Entscheidung vor allem den Fortschritt dieser Staaten.“

(Autorin: Antje Schweinfurth)

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